Etwa eine halbe Stunde vor Einlassbeginn (19.00 Uhr) war schon eine kleine Menschenmenge vor der Tür. Mittlere Altersgruppe, tendenziell mehr Frauen als Männer. Als die Halle geöffnet wurde, fiel sofort der Büchertisch in der Mitte auf, bei dem ausschließlich die Bücher von Herrn Ganser zum Verkauf angeboten wurden.
Das Ticket für die Veranstaltung kostete 32,90 Euro.
In der Halle selbst war freie Platzwahl und die vorderen Plätze waren tatsächlich sehr begehrt. Es gab auch Reservierungen für ganze Gruppen. Man kennt sich untereinander, möglicherweise von früheren Veranstaltungen, die Stimmung ist fröhlich und ausgelassen. Man hat den Eindruck, unter Freunden zu sein.
Veranstalter ist der Hambacher Kulturförderverein. Deren Vorsitzender Erich Hambach begrüßt am Anfang auch alle Besucher:innen. Hambach selbst sagt schreibt auf seiner Webseite www.erich-hambach.de über sich, Aufklärungs- und Friedensarbeit zu leisten und erwähnt dezidiert die Zusammenarbeit mit freien Medienportalen wie NuViso, kla-TV, Lebenskraft.TV, Bewusst.TV, kenFM und vielen mehr, die publizistisch in der Verbreitung von Verschwörungstheorien an vorderster Stelle sind.
Die Halle füllt sich letztendlich mit ca. 1000 Personen, ausverkauft ist sie allerdings nicht. Vor der Halle finden sich keine Demonstranten, obwohl augenscheinlich einige der Besucher:innen und auch Herr Ganser selbst das erwartet hatten. Im Verlauf des Vortrags werden auch Bilder von solchen Demonstrationen gezeigt und die Teilnehmer:innen werden lächerlich gemacht.
Relativ pünktlich um 20.00 Uhr tritt Dr. Ganser auf. Blaues Sakko, weiße Turnschuhe, ein smarter Typ. Sein erstes Wort ins Mikrofon deutet an, dass er Stimmprobleme hat. Er sagt aber auch, dass er diese Veranstaltung unbedingt abhalten wolle und bekommt dafür anhaltenden Applaus. Also spricht er mit belegter Stimme weiter, unterstützt von einer Präsentation. Er läuft während des Vortrags auf der Bühne hin und her und spricht frei – ein versierter „Keynote-Speaker“ also, mit nach eigenen Angaben einer Erfahrung von mehr als 1000 Vorträgen.
Er schwört die Gemeinschaft der Zuhörer:innen ein mit drei wichtigen Regeln:
Er stellt seine Gliederung des Vortrags vor, die recht einfach strukturiert ist:
Aus der Gliederung alleine ist nicht ersichtlich, dass es um den Weltfrieden geht, aber Erklärungen hierzu folgen noch.
Zunächst einmal unterscheidet er zwischen guten und schlechten Journalisten: schlechte Journalisten seien eine „angsttreibende Kraft“, sie würden die „Lügen ins Wohnzimmer tragen, die die Politiker aussprechen“.
Der erste Themenblock beschäftigte sich mit einem seiner Lieblingsthemen, der Theorie des gesprengten Turmes WTC7 zu dem terroristischen Angriff auf die Twin Towers des World Trade Center in New York am 11.September 2001, der seiner Meinung nach kein islamistischer Terrorakt war, sondern unter dem Einfluss von amerikanischen Regierungsmitgliedern stand.
Dabei erzeugt er auch viele Lacher, besonders mit seiner Geschichte vom gefundenen Ausweis eines der Attentäter und wie der Ausweis dem Täter aus der Tasche gefallen sein könnte. Im Zusammenhang einer Katastrophe, die viele tausend Todesopfer forderte, muten diese humorvollen Einlagen etwas seltsam an. Immer wieder macht er darauf aufmerksam, sich von dem „betreuten Denken“ zu befreien.
Andere seiner Ausführungen sind so dargestellt, dass man eigentlich zustimmen kann: zum Beispiel, dass in Zeiten von Kriegen die gegnerischen Parteien oft mit Lügen und Falschinformationen arbeiten, oder dass Thesen und Vermutungen oft mit suggestiven Fragen verbunden sind und sich so Menschen leichter manipulieren lassen, wie man das in Fernsehdiskussionen öfter verfolgen könne.
Als Beispiel nennt Ganser hier die Berichterstattung während Corona, womit er ein weiteres verschwörungsideologisches Feld beackert, indem er z.B. behauptet, dass die Impfkampagne Millionen von Menschenleben gefährde und es auch hier eher darum ginge, Menschen unter Kontrolle zu bringen.
Es ist – abgesehen von den problematischen Themenfeldern – angenehm, ihm zuzuhören und er gewinnt im Verlauf der Veranstaltung auch seine Stimme zurück. Sein Vortrag hat einen hohen Unterhaltungswert und er würzt ihn gelegentlich mit einigen humoristischen Einlagen. Das Publikum dankt es ihm immer wieder mit Zwischenapplaus und der Zustimmung „ja, da ist einer, der recht hat“. Er stellt sich in seinem Vortrag immer wieder selber als Gutmensch dar, dessen vordringlichstes Anliegen es ist, die Menschheitsfamilie wieder auf den Friedensweg zu führen. „Alle gehören zur Menschheitsfamilie“, ist ein oft wiederholtes Narrativ seines Vortrags.
Grundsätzlich ist daran ja nichts Verwerfliches, zum Frieden aufzurufen und die Kriegsrhetorik zu verurteilen. Allerdings liefert Ganser hier eher auf komplexe Fragen sehr einfache Antworten und sein wiederholter Aufruf, sich gegen das „betreute Denken“ zu wehren und Widerstand zu leisten, haben das Potential, eher spalterisch als menschheitsverbindend zu sein.
Am Ende seines Vortrags kommen dann fast schon philosophische Betrachtungen von der Entdeckung der Dankbarkeit gegen die Angst, von dem belebenden Blick auf die Schönheit der Schöpfung, der dazu helfen kann, sich in all der Wirrwarr selber zu beruhigen.
Es bleibt nach diesem Vortrag trotz des hohen Unterhaltungswerts ein fader Beigeschmack. Durch seine Thesen und Theorien scheinen komplexe Themen vereinfacht und so gewinnt er auch seine Zuhörer. Eine hohe Komplexität setzt aber auch Auseinandersetzung, demokratische Debattenkultur und differenzierte Sichtweisen voraus, die aber bei ihm keinen Platz haben. Manchen Teilen der Medien, Politikern generell und auch der Wissenschaft das Vertrauen zu entziehen und einen eigenen Wahrheitsanspruch mit dem Anstrich des „Friedensforschers“ (wobei er in diesem Bereich weder qualifiziert publiziert oder geforscht hat) zu vertreten, polarisiert und weitet die Kluft zwischen Menschen, die sich für ihn begeistern und denen, die nicht seiner Meinung sind.
Letztlich ist jeder Vortrag eine Verkaufveranstaltung, der Eintrittspreis, der Büchertisch und sein Talent als versierter Redner mit hohem Unterhaltungswert garantieren jedenfalls wirtschaftlichen Erfolg.